Andreas Wimmer: Steigende Zinsen – steigende Probleme
Die von manchen Politkern und EZB Bankern lautstark geforderte Zinswende wird den Mittelstand noch weiter unter Druck setzen, findet eXXpress-Kolumnist Andreas Wimmer, Vorstandsmitglied der C-Quadrat Investment Group.
Der Blick in den Postkasten könnte in naher Zukunft für viele Menschen zu einem täglichen Nervenkitzel werden. Werden die EZB-Leitzinsen angehoben, so wie es unter anderen der Gouverneur der österreichischen Nationalbank immer wieder fordert, könnte der finanzielle Belastungsdruck für viele Österreicher existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Die Mitteilung der Bank über die Erhöhung der Raten für Immobilienkredite könnte vielen Kreditnehmern die Tränen in die Augen treiben.
Die aktuelle Inflation hat andere Ursachen als in der Vergangenheit
Um in Zeiten der Hochkonjunktur einer Überhitzung der Wirtschaft entgegenzusteuern haben die Zentralbanken in der Vergangenheit immer wieder die Leitzinsen erhöht. Mit der Folge, dass Kredite teurer werden, weniger investiert wird und sich die Preissteigerungen einbremsen. Das hat oft ganz gut funktioniert. Nur, die aktuelle Inflation wird nicht von einer Hochkonjunktur getrieben, sondern von einer Verknappung, die durch die Pandemie, angespannte Lieferketten und den Krieg in der Ukraine verursacht wird.
Die Erhöhung der Zinsen in Europa zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre nichts anderes als geldpolitischer Populismus ohne Aussicht auf Erfolg. Die Konsequenz wären sicher keine sinkenden Preise, sondern hauptsächlich steigende Kreditraten für hunderttausende Menschen, die ihre Immobilienkredite monatlich abstottern müssen.
Preisstabilität nur mit funktionierenden Lieferketten
Es erschließt sich einem nicht, warum die monatlichen Kosten für große Teile der Bevölkerung mutwillig noch weiter steigen sollen. Das Ziel einer Preisstabilität kann so lange nicht erreicht werden, solange die Lieferketten nicht funktionieren und kriegsbedingte Knappheit an Gütern herrscht. Um die Abhängigkeit im Energie- oder Nahrungsmittelsektor zu reduzieren, müsste massiv investiert werden. Höhere Zinsen stimulieren aber sicher kein steigendes Investitionsniveau, sondern genau das Gegenteil davon.
Der Ruf nach höheren Zinsen zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Europa erscheint vor diesem Hintergrund fast als unseriös. Wer das Wohl des Mittelstands in Europa im Auge hat, muss den Mut haben zuzugeben, dass die derzeitige Inflation kriegsbedingt und pandemiebedingt ist und mit anderen historischen Situationen nicht vergleichbar ist. Eine Zinserhöhung würde die Lage für große Teile der Bevölkerung weiter verschlimmern und keine Verbesserung bringen. Erst das Ende der Krisen wird die Situation beruhigen und bis dahin alle noch viel Geld kosten. Aber das sollte man ehrlich aussprechen und nicht so tun, als könnte eine Zinserhöhung irgendetwas bewirken. Bisher sind die Verursacher der Misere ein Virus und ein Krieg. Die Nationalbanken sollten sich nicht auch noch dazugesellen!
Kommentare
In den 70er-Jahren hatte man bei einer Inflationsrate von 6% einen Leitzins von 7 oder 8%. Warum konnte die Wirtschaft das damals verkraften? Und warum bricht sie heute fast zusammen, wenn man bei einer (zugegebenermassen) durch Lieferprobleme verursachten Teuerungsrate von 8% bloss hergehen will, die MINUSZINSEN zu eliminieren! Kann das endlich jemand erklären, und, wenn nötig, den Menschen die WAHRHEIT beibringen?
Wenn die aktuelle Inflation – wie Sie schreiben – “von einer Verknappung der durch die Pandemie angespannten Lieferketten und den Krieg in der Ukraine verursacht wird”, warum ist dann die Schweiz mit 1,9 % Inflation für 2022 nicht betroffen?
Oder ist der Grund vielleicht doch das seit 2008 exzessive Geld drucken der EZB…?