
Gottfried Helnwein im großen eXXpress-Interview: "Wir verlieren täglich größere Teile unserer Freiheit"
Das eXXpress-Interview mit einem der ganz Großen: Einen halben Tag lang sprach einer der bedeutendsten lebenden Künstler, der Österreicher Gottfried Helnwein (73), in seinem Atelier auf dem Landsitz Castle Gurteen de la Poer bei Waterford mit Chefredakteur Richard Schmitt – über unsere Freiheit, Rebellionen, die USA, die Kunst und Dämonen.
Noch auf der mit weißem Kies bedeckten Zufahrt von Castle Gurteen de la Poer begrüßt Renate Helnwein, die Ehefrau des österreichisch-irischen Künstler, das eXXpress-TV-Team. In der großen Halle des wunderschönen Landsitzes im grünen irischen Nirgendwo der Grafschaft Waterford treffen wir dann den Star, dessen schwarzes Stirnband mit dem Stern weltberühmt ist, dessen Telefonnummer Stars wie Kanye West, Arnold Schwarzenegger, Marilyn Manson oder Sean Penn in ihre Smartphones tippen, wenn sie wirklich starke Kunst sehen (und bestellen) möchten: Gottfried Helnwein (73) führt uns durch die meterhohen Räume des Schlosses aus dem 19. Jahrhundert, erklärt Details zu jenen Bildern, die er für sich und seine Familie an den eigenen Wänden behält.
eXXpress-Interview mitten im Atelier in Irland
Beim Rundgang bis zum Atelier des Künstlers treffen wir auf Mickey, aber auch auf das neunjährige Mädchen mit den von Mullbinden verschlossenen Augen, auf die weltbekannten Werke mit Kindern, die sich von ihrem Schmerz befreien – und auch auf noch nicht vollendete Gemälde: In einem der Atelier-Abteile steht ein faszinierendes Bild in harten Grautönen, mit Akzenten des Arrangements der Sportpalast-Rede des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels (“Wollt ihr den totalen Krieg?”) in einer Melange mit einer Sezier-Szene eines anatomischen Instituts und der Szenerie eines Parlaments-Szene.
Nach hochinteressanten Gesprächen über die aktuelle politische Situation, über unsere Gesellschaft und die Kunst bei einem gemeinsamen Mittagessen im Rittersaal und einem Spaziergang durch seinen irischen Märchenwald mit Mammutbäumen und Alice-im-Wunderland-Flora gibt Gottfried Helnwein dem eXXpress eines seiner seltenen Interviews. “Das gefällt mir”, sagt der Kunst-Star zum Selberdenker-Motto des eXXpress, zu der Meinungsfreiheit, die wir pflegen, zu unserer Blattlinie, die manchmal deutlich vom Medien-Mainstream abweicht.
Helnwein über Greta: "Das ist kein Aufstand"
Im Atelier, vor einem mit Farbmischungen vollen Rollwagen, beginnen wir dann das Interview – alles dürfe gefragt werden, meint Gottfried Helnwein noch bevor die eXXpress-Kamera startet. Dann spricht der Superstar der hyperrealitsischen Kunst und kritische Beobachter unserer Gesellschaft offen über hochinteressante Themen.
So sagt Helnwein über den Zustand unserer Zivilisation: “Die Welt, so wie wir sie kennen, ist am zerfallen.” Das sei “die Folge eines zerstörerischen Systems”.
Über unsere Gesellschaft: “In den 70er Jahren waren wir in einem Rausch der Freiheit. Wir sind mitten in einem System der weltweiten Zensur. Wir verlieren täglich immer größere Teile unserer Freiheit.” Dieser Prozess sei auch “unaufhaltsam”.
Über die Helden der Rebellion der 68er-Generation sagt Helnwein: “Diese Naivität von uns ist gescheitert. Wir befinden uns im Diktat des Neo-Kapitalismus.”
Die “neue Rebellion” von Greta Thunberg und Klimaaktivisten kommentiert der Künstler so: “Das ist kein Aufstand.” Und: “Das System lenkt uns in Scheinrevolutionen.”
Das ganze Interview
"Es ist wie der zweite Fall Roms"
Emotional wird Gottfried Helnwein beim Gespräch über den Ausgang der militärischen Intervention der USA in Afghanistan: “Weite Teile des Mittleren Ostens sind unbewohnbar geworden, das ist die eigentliche Ursache für den Flüchtlingsstrom. Wir beschäftigen uns immer dann mit dem zweiten Teil, und nicht damit, warum müssen die alle ihre Heimat verlassen. Die Welt wird durch die Gier einiger Weniger destabilisiert. Es ist wie der zweite Fall Roms.”
Mit dem eXXpress spricht Helnwein aber auch über seine Kreativität, seine Kunst: “Meine Neugierde hat mich zur Kunst gebracht, die Kunst war der letzte Ausweg.” Und: “Für die Kunst spielen Verstand und Rationalität kaum eine Rolle. Das ist etwas völlig Immaterielles, etwas was einen zutiefst bewegt. Jeder Künstler will im Grunde seine Sehnsüchte, seine Ängste, seine Dämonen durch diese Kunst bewältigen und weitergeben.”
"Die Kinder müssen sich vollkommen frei fühlen."
Und der eXXpress will im Interview auch Persönliches erfragen – hat es bei den Helnweins auch schwierige Zeiten mit den vier (jetzt schon seit längerem erwachsenen) Kindern gegeben? “Nein”, kommt sofort von Gottfried Helnwein, “Es hat nicht irgendeine Zeit gegeben, die schwierig war. Es war immer Freude und Inspiration.” Und er gibt noch allen Eltern einen guten Ratschlag mit: “Die Kinder müssen sich absolut sicher und vollkommen frei fühlen. Die Flamme der Freiheit darf nie erlöschen, sie dürfen nie eine Autorität akzeptieren.”
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